Ein Gespräch mit dem Vernetzungsexperten Frank Heptner
Automatisierung trifft ZukunftFrank Heptner ist Senior Director Consultancy and Projects Intralogistics Solutions bei Linde Material Handling. Im Interview spricht er über digitale Vernetzung, Automatisierung und die Zukunft der Intralogistik.
Herr Heptner, Sie haben auf der LogiMAT 2018 in Stuttgart über automatische Intralogistik-Lösungen und digitale Vernetzung gesprochen. Wie wird Vernetzung die Zukunft der Intralogistik prägen?
Intelligente Vernetzung wird die Intralogistik massgeblich mitgestalten. Schon heute bewegen sich Fahrzeuge und Geräte autonom und führen Lager- und Transportaufgaben aus. Allerdings arbeiten sie oft noch autark und sind nur geringfügig vernetzt. Das wird sich in Zukunft ändern. Sind einmal alle Ressourcen über ein zentrales IT-System wie eine Warehouse Management Software verbunden, kennen wir zu jedem Zeitpunkt ihren Aufenthaltsort, ihren Betriebszustand und ihre aktuelle Tätigkeit. So lassen sich alle Prozesse von einer übergeordneten Ebene optimal steuern. Das gilt natürlich auch für bemannte Fahrzeuge. Ihre Arbeit lässt sich viel effizienter koordinieren, wenn all ihre Positions- und Betriebsdaten in einem Staplerleitsystem zusammenlaufen und dieses System die Abläufe Intelligent koordiniert.
Das grosse Effizienzpotenzial liegt in der digitalen Vernetzung.
Wie wirkt sich das auf die Komplexität des Lageralltags aus?
Die Komplexität des heutigen Lageralltags ergibt sich aus den stetig steigenden Anforderungen an Lieferprozesse. Verbraucher bestellen stark individualisierte Produkte und erwarten sehr kurze Lieferzeiten. Hinzu kommt, dass sich die Packungsgrössen abhängig vom Anwendungsfall fortlaufend ändern. Um diese Komplexität zu beherrschen, müssen Materialflussprozesse effizienter und flexibler werden. Die Effizienz eines einzelnen Fahrzeugs ist da nicht mehr so entscheidend. Grosses Effizienzpotenzial liegt hingegen in digitaler Vernetzung. Werden alle Komponenten intelligent vernetzt, können sämtliche Schritte hochkomplexer Abläufe in Echtzeit koordiniert und der jeweiligen Situation angepasst werden.
Wie wird sich die Automatisierung auf die Arbeit des Flottenmanagers auswirken?
Seine Rolle wird sich in jedem Fall wandeln. Bei der Automatisierung tauschen unterschiedliche IT-Systeme Informationen aus und treffen auf dieser Basis Entscheidungen. Etwa, ob das kaputte Fahrzeug ersetzt werden muss. Mit solchen Vorgängen hat der Flottenmanager dann nichts mehr zu tun. Statt sich um einzelne Prozessschritte zu kümmern, wird der Schwerpunkt seiner Arbeit eher darin bestehen, das Gesamtsystem zu optimieren. Beispielsweise, indem er Daten analysiert, die vom System aufbereitet werden, und auf dieser Basis Entscheidungen fällt.
Ein steigender Grad an Automatisierung und Vernetzung führt dazu, dass die Kunden ihre Ressourcen und Systeme im Intralogistikprozess immer effizienter und passgenauer einsetzen können.
Welchen konkreten Nutzen können sich Kunden von zunehmender Vernetzung und Automatisierung erhoffen?
Ein steigender Grad an Automatisierung und Vernetzung führt dazu, dass die Kunden ihre Ressourcen und Systeme im Intralogistikprozess immer effizienter und passgenauer einsetzen können. Das gelingt, weil die Technologien im gegenseitigen Austausch stehen und somit alle verfügbaren Fahrzeuge und Anlagen optimal zum Einsatz kommen. Das trägt zu erheblichen Kosteneinsparungen bei und ist verbunden mit einem hohen Grad an Flexibilität. Digitale Vernetzung sorgt zudem dafür, dass der gesamte Prozess immer transparenter wird. Das Gesamtsystem erlangt eine extrem hohe Zuverlässigkeit und verbessert so die Lieferqualität. Zugleich profitiert die Sicherheit im Lager von dieser Entwicklung. Das Zusammenspiel der vernetzten Komponenten ermöglicht die zielgerichtete Steuerung und reduziert somit die Gefahr von Zusammenstössen und Unfällen.
Mit welcher Haltung sollten Kunden Automatisierung und digitale Vernetzung angehen?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, da es stark von den Anwendungsfällen und Ausgangssituationen des Kunden abhängt. Die Intralogistik ist ein wichtiger Kernprozess, der dafür zuständig ist, dass die Ware zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort ist. Im Vordergrund stehen daher die Materialflüsse, die gesamtheitlich funktionieren müssen. Das bildet die Basis für digitale Vernetzung und Automatisierung. Grosse Unternehmen wie etwa Automobilhersteller verfügen meistens über sehr viel eigene Kompetenzen in diesem Bereich, während andere Unternehmen kaum eigenes Materialfluss-Knowhow haben. Wichtig ist zunächst immer, den Blick auf das Ganze zu richten. Schon an diesem Punkt können wir den Kunden unterstützen und gemeinsam die Prozesse definieren.
Wie würde das konkret aussehen?
Der Kunde sollte bei einem Projekt alle wesentlichen Einflüsse auf den Logistikprozess von Beginn an berücksichtigen. Gleichgültig, ob er seine Abläufe optimiert oder ein komplett neues Lager plant. Je höher der Komplexitäts- und Automatisierungsgrad sein soll, desto früher sollten wir intensiv mit ihm zusammenarbeiten. Da reicht es nicht, ihn nur mit Fahrzeugen und Anwendungen zu versorgen. Wir müssen seine Ressourcen, seine Systeme, seine Geräte und seine Software kennen und alle Faktoren verstehen, die seine Prozesse bestimmen. Nur so können wir ihn optimal beraten.
Welche Rolle nimmt Linde Material Handling dabei ein?
Wir begleiten den Kunden von der Planung bis zur Realisierung. Wir analysieren, was im Lager schon vorhanden ist, wie der Gesamtaufbau seiner Infrastruktur funktioniert und welche IT-Systeme er bereits nutzt. Auf dieser Basis finden wir modulare Lösungen, die genau zu seinen Prozessen und seiner IT-Landschaft passen.
Worauf müssen Kunden achten, wenn sie ihr Lager automatisieren wollen?
Um Automatisierungslösungen zu realisieren, müssen Informationen über W-Lan in Echtzeit weitergegeben werden. Nur so kann das System wissen, wo sich Fahrzeuge, Geräte und Personen zu jedem Zeitpunkt befinden. Diese Voraussetzungen sind bei Kunden häufig noch nicht gegeben. Dann helfen wir ihnen zunächst, die entsprechende IT-Infrastruktur zu schaffen. Denn ohne sie bleibt alles weitere Theorie.
Sie haben in Ihrem Vortrag auf der LogiMAT von einer Lösung namens Zone Control gesprochen. Worum handelt es sich dabei?
Mit Zone Control lassen sich die Prozesse eines vernetzten Systems steuern, indem man Zonen definiert und ihnen Befehle zuweist. Beispielsweise kann man eine automatische Geschwindigkeitsdrosselung für Bereiche festlegen, in denen sich häufig Stapler begegnen. Die Fahrer können dann gar nicht zu schnell fahren, weil das System es nicht zulässt. Möglich ist auch, für Zonen fahrzeugspezifische Veränderungen wie etwa eine Hubhöhenbegrenzung zu definieren. Oder man kann in einzelnen Zonen eine Durchfahrtsbeschränkung für bestimmte Fahrzeuge festlegen, um das Verkehrsaufkommen sinnvoller zu verteilen. Die Technologie dafür ist vorhanden, aber die Voraussetzungen vor Ort müssen stimmen. Das ist der erste Schritt. Zukünftig wird es durch die intelligente digitale Vernetzung noch wesentlich mehr Möglichkeiten dafür geben.